Die Betreffzeile der Email klang harmlos: „Ihr Atelier für Phantastische Kunst“. Werbung vielleicht, schlimmstenfalls eine Rechnung. Doch beim Lesen der Nachricht, die ich eines schönen Morgens im letzten Sommer in meinem Posteingang entdeckte, wurde ich allmählich wach. Sehr wach.
Kurz zusammengefasst: Der Autor Karsten Beuchert aus München arbeitete an einer Geschichte, in der mein Atelier für Phantastische Kunst, meine Bilder und ich eine zentrale Rolle spielen sollten und bat um Erlaubnis, sie zu veröffentlichen. „Für Phantastisches bin ich immer zu haben“, antwortete ich und daraus entwickelte sich ein interessanter Schriftwechsel mit Herrn Beuchert, in dessen Verlauf ich auch die Entstehung der Geschichte „Die Lanze des Mauricius“ mitverfolgen durfte. Eine faszinierende Erfahrung für mich.
Nun ist diese wundervolle Geschichte, zusammen mit einigen anderen, in diesem Frühjahr in der Anthologie „Tanz der Kirschblüten“ im Bonner Kid Verlag erschienen und jedermann und jedefrau können sie lesen. So weit so gut. Zumal das Cover des Buches eine Illustration aus meiner Feder ziert, die ich speziell dafür angefertigt habe (eine sehr gelungene Illustration, wie ich bescheiden hinzufügen möchte; das aber nur nebenbei).
Was also ist der Grund für dieses leise Gefühl des Unbehagens, das mich beim Betrachten des nämlichen Buches überkommt, wie ein jäher Frosthauch an einem warmen Sommernachmittag? War es unvorsichtig von mir, die Genehmigung zum Abdruck zu erteilen? Was wird geschehen, wenn irgendjemand auf die Idee kommt, die Geschichte könnte mehr sein als bloße Fiktion? Obwohl ich mir in den letzten Jahren große Mühe gegeben habe, meiner Existenz als Phantast einen möglichst harmlos wirkenden Anschein zu geben, kommt der Erzähler in der Geschichte dem wahren Wesen meiner Kunst beunruhigend nahe.
Ist Herr Beuchert sich bewusst, was er da geschrieben hat? Oder hat das Ganze eine gänsehauterzeugende Eigendynamik entwickelt? Mein Alter Ego, das glücklicherweise in der Geschichte unter einem Pseudonym agiert, ist mir merkwürdig vertraut. Wie das Gesicht heute Morgen im Spiegel, scheint es mir beim Lesen fast zuzublinzeln. Auch die Einblicke in mein Atelier sind extrem realistisch. Obwohl Herr Beuchert noch nie dort war. Beim Lesen der Entwürfe überkam mich mehrfach ein wirkliches Grausen: das wirkt alles so echt!
Wie auch immer: Es ist nun zu spät, um die Sache noch zu stoppen. Ich vertraue einfach weiterhin darauf, dass sowieso niemand glauben würde, wie durchlässig die Türen zwischen Realität und Phantasie wirklich sind. Das hat in den letzten Jahren immer sehr gut funktioniert …
Für all diejenigen, die gerne einmal die Bilder sehen möchten, die in der Geschichte „Die Lanze des Mauricius“ eine so überaus wichtige Rolle spielen, füge ich sie diesem Artikel bei. Aber Vorsicht! Ich empfehle, zuerst einmal in der Geschichte von Herrn Beuchert nachzulesen, was mit dem ahnungslosen Atelierbesucher passiert ist, der ihrer morbiden Faszination nicht widerstehen konnte.
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Daniel Bierstedt (Donnerstag, 30 März 2017 07:52)
Wirklich klasse geschrieben, da hat man direkt Lust, das selbst nachzuprüfen �